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CTH 457.7.1

Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 457.7.1 (INTR 2016-10-17)

Die Reise der Seele in die Unterwelt (CTH 457.7.1)

Textzeugen

A

KUB 43.60

Bo 2533

--

Literatur

Moore 1975, 191-200; Poetto 1979, 117-118; Haas 1981, 114; Hoffner 1988, 193-194, 198-199; Collins 1989, 243-244; Hoffner 1990, 32-33; Watkins 1995, 284-287; Fortson 1996, 71-72; Boley 2001, 26-27; Katz 2001, 205-215; Polvani 2005, 613-622; Bernabé 2006, 33-42; Haas 2006, 237-239; Archi 2007, 169-195; García Trabazo J.V. 2016a, 82-83.

Editionsgeschichte

Das Fragment Bo 2533 wurde von K. K. Riemschneider im Jahr 1972 als KUB 43.60 publiziert. Auf Grund des Kolophons äußerte Riemschneider in der Inhaltsübersicht die Vermutung, dass zwei verschiedene Texte auf der Tafel erhalten seien. Ferner stellte er einige lexikalische Besonderheiten der Vs. I heraus.

Der Text wurde erstmals von Moore 1975 in seiner Dissertation über verschwundene Gottheiten in der hethitischen Literatur bearbeitet. Einige Jahre danach konnte Hoffner zwei kleine Fragmente zusammenschließen, und zwar KBo 22.178(+)KUB 48.109 (CTH 457.7.2), die einen Paralleltext zu KUB 43.60 bilden. Hoffner 1988 bot eine Interpretation der bis dato bekannten Textvertreter, wobei er bereits die Möglichkeit zweier unterschiedlicher Versionen in Betracht zog.

Zwei Jahre später publizierte Hoffner eine Übersetzung von KUB 43.60 ins Englische (Hoffner 1990).

Im Vergleich mit der altgriechischen Überlieferung unterzog Watkins 1995 den Text KUB 43.60 einer komparativen Methodik. Ihm folgten Katz 2001, Polvani 2005, Barnabé 2006, Haas 2006 und Archi 2007. Alle Autoren haben auch partielle oder vollständige Transkriptionen und Übersetzungen von KUB 43.60 vorgenommen und sind zu ähnlichen interpretatorischen Schlussfolgerungen gekommen.

Inhaltsübersicht

Seit dem Aufsatz von Hoffner 1988 wurde KUB 43.60 immer zusammen mit KBo 22.178 + KUB 48.109 (CTH 457.7.2) betrachtet. Den zwei Texten können auch Bo 3188 (CTH 457.7.3.A) mit seinem Duplikat KBo 48.206 (CTH 457.7.3.B) hinzugefügt werden.

Die ganze Textgruppe beschreibt vermutlich die Reise der menschlichen Seele in die Unterwelt. Die Sprache der Texte zeigt mehrere ältere Eigenschaften, was auf die Existenz einer älteren Komposition hindeutet. Die verhältnismäßig zahlreichen Schreiberfehler deuten ein gewisses Unverständnis der Sprache an.

KUB 43.60 beginnt ex abrupto, vermutlich mit der Schilderung, dass in der Nacht die Tiere, der Himmel und die Erde schlafen. Danach folgt ein Teil (kola 6-13), in dem eine Biene die Aufgabe hat, die menschliche Seele wiederzufinden und sie an ihre richtige Stelle zu setzen. In den folgenden Zeilen spielen nochmals die Biene und zwei Vögel – der laḫanza-Vogel und der ḫuwala-Vogel – die Hauptrolle: sie müssen etwas (was dies genau ist, bleibt unklar) aus dem gepflügten Land, aus dem Meer und aus dem Fluss (kola 14-24) bringen.

Dieser erste Teil bleibt interpretatorisch unklar. Einerseits zeigt die Biene ihre typische Fähigkeit, jemanden oder etwas wieder zu finden1, andererseits sind die zwei Vögel nicht mit Sicherheit identifizierbar und ihre Rolle ist nicht klar. Unklar bleibt auch, weshalb die Seele verschwunden ist und weshalb sie gefunden werden soll.

In dem folgenden Paragraphen werden mehrere Tiere erwähnt: der Adler, der genau wie die Biene und die anderen zwei Vögel etwas aus dem Himmel bringen soll, und danach drei Horntiere – Ziegenbock, Widder und Mutterschaf –, die „den Gewünschten“2 mit Klauen ergreifen oder mit Hörnern schlagen sollen.

Die folgenden Zeilen sind noch schwieriger zu verstehen: die Muttergöttin weint und dann (kola 33-35) werden die neun (Text: acht) Körperteile geschlagen, evtl. mit Verweis auf eine Ritualhandlung. Der Paragraph und dieser erste Teil schließen mit der Verfügung, dass für die Seele keine Orakelanfrage erforderlich ist.

In dem folgenden Teil fängt nach einem Gespräch zwischen zwei unidentifizierten Personen über die Seele anscheinend die Reise der Seele an. Der Text bleibt meistens unklar, aber es sind einige Orte erwähnt, in die die Seele geht oder fällt. Dabei handelt es sich anscheinend um Orte mit einer negativen Bedeutung.

Danach ist der Text in der Vs. II und Rs. III sehr schlecht erhalten, wobei es sich weiterhin um die Reise der Seele handeln wird3.

Der Schlussteil des Textes enthält ein Ritual, das nach Archi 2007, 171, für eine Frau ausgeführt wird.

Nach Watkins 1995, 284-285, enthält der Text in dem ersten Teil „the scene for an epiphany or birth of the human soul“, während der folgende Teil (kola 31-35) auf die wirkliche Geburt der Seele anspielt, worauf besonders die Anwesenheit der Muttergöttin weist. Ferner enthält der letzte erhaltene Teil der Vs. I Watkins Meinung nach einige Ausdrücke, die Ähnlichkeiten zur orphischen Eschatologie zeigen4.

Auch Archi 2007 sieht Anklänge an die orphische Eschatologie. Er zitiert eine zusätzliche Quelle, nämlich die Goldene Platte aus der Hipponion-Nekropole in Vibo Valentia (Kalabrien, Süd-Italien), die Anweisungen für einen Verstorbenen enthält. Nach dieser Inschrift kann die Seele aus der Quelle des Gedenkens trinken und den heiligen Weg zurücklegen, um so an ihr Endziel zu gelangen5. Weitere Parallelen zeigt Archi zum 13. und 14. der hethitischen Totenrituale auf6. Im folgenden Teil seines Aufsatzes vertieft Archi die Konzeption des Lebens nach dem Tod und des Schicksals der Seele bei den Hethitern und zitiert dazu weitere Ritualtexte. Sein Schluss ist, dass der Tod „did not mean a dissolution into the unknown and that the soul could enjoy an undefined but favourable fate“, was natürlich nur durch besondere Ritualhandlungen und Opfer zu erhalten ist. Andererseits würde der Ausdruck in Vs. I 31 (kola 45-46) beweisen, dass die Seele als Teil des Göttlichen empfunden wurde.

Nach Polvani 2005, 617-618, die die ganze Komposition als „a mythical tale connected to a birth ritual“ deutet, sind die Biene und die drei Vögel jeweils mit einem Teil der Welt verbunden, „probably in a totem type relationship“. Sie vermutet, dass „der Gewünschte“ (ilalianza; Vs. I 17 = kolon 27) die von einem Menschen gewünschte Seele sei, gleich einem Baby, das noch geboren werden soll. Nach dieser Interpretation hätten die drei oben genannten Horntiere die Aufgabe, bei der Geburt des Kindes zu helfen. Die kola 31-35 würden dann auf die Geburt des Kindes und die Verbindung zwischen ihm und der Seele anspielen. In dem letzten erhaltenen Teil gibt es nach Polvani keinen Hinweis „to a subterranean or funeral context, and maybe the presence of welluwa (Vs. I 36) induces us to think of a 'terrestrial' designation – the opposite to 'acquatic' one – defined 'bad'“.

Da nach Polvani 2005, 622, die Reise der Seele nicht mit der Unterwelt, sondern mit der Geburt eines neugeborenen Kindes verbunden verbunden ist, zieht sie das Geburtsritual KBo 17.62+KBo 17.63 (CTH 409.III) hinzu7. In diesem Ritual rezitiert die Hebamme die Beschwörung des Schreiens (ŠIPAT wiwiškiuwaš;Vs. I 10'), die Polvani mit Vs. I 21-22 (kola 31-32) verbindet, in der die Muttergöttin weint. Ferner erwägt sie, dass KUB 43.60 eine gesonderte Tafel der Beschwörung ist, die in KBo 17.62+KBo 17.63 Vs. I 13' (ḫukmiyaš DUBḪI.A-TIM arḫay[an]) Erwähnung findet.

© Universität Mainz – Institut für Ägyptologie und Altorientalistik

1

Vgl. Haas 1981.

2

Vgl. Vs. I 17 i-la-li-an-za.

3

Vgl. Archi 2007, 170 und 175.

4

Vgl. Watkins 1995, 288-291.

5

Archi 2007, 175-176 mit Lit.

6

Vgl. Archi 2007, 179-180.

7

Für die Edition dieses Rituals vgl. Beckman 1983, 32-41.


Editio ultima: 2016-10-17






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